Über Ecken und Kanten, oder besser gesagt über positive und negative Eigenschaften, haben wir schon das ein oder andere Mal in anderen Kapiteln gesprochen. Da ich es wichtig finde, wenn man sich mit den eigenen, aber auch mit den Ecken und Kanten seines Partners beschäftigt, gehe ich hier nochmal ausführlicher darauf ein. Denn mal ehrlich, haben wir nicht alle unsere Ecken und Kanten?
Man könnte das Thema jetzt auch kurz und bündig abhandeln und sagen, jeder hat so seine Eigenarten und man muss das so akzeptieren. Aber das ist mir zu oberflächlich. Mit dieser Einstellung kommt man nicht wirklich weiter. Fest steht zwar, dass man niemanden verändern kann, wenn dieser Mensch es nicht selber möchte. Was Du aber verändern kannst, ist zum einen Deine Einstellung zu den Eigenarten des anderen und zum anderen Deine eigenen negativen Eigenschaften. Daher solltest Du Dich unbedingt mal mit Deinen eigenen Macken auseinandersetzen. Das kann Dir ganz hilfreich sein, für die eigene Zukunft, aber auch für die Beziehung zu anderen Menschen.
Machen wir uns also an die Arbeit. Welche Eigenarten hast Du? Das müssen nicht unbedingt negative Eigenarten sein. Manche positive Eigenschaft kann bei anderen Menschen auch in bestimmten Situationen auf Ablehnung stoßen. Zum Beispiel wenn Du gerne kuschelst und in den Arm genommen werden möchtest. Unvorstellbar, aber es gibt Menschen, die mögen das überhaupt nicht.
Sind Dir Deine Ecken und Kanten bewusst oder wurdest Du schon mal darauf angesprochen? Wenn Du jetzt sagst: „Ich bin wie ich bin, und wem das nicht passt, der hat Pech gehabt“, hast Du mit der Aussage sicherlich recht. Meistens akzeptieren Deine Mitmenschen Dich auch so, wie Du bist. Zumindest dulden Sie es, ohne Dich darauf anzusprechen. Aber gibt es vielleicht auch eine Eigenschaft an Dir, die immer mal wieder dazu führt, dass Du Probleme bekommst? Wenn ja, welche ist das?
Es gibt verdammt viele Eigenarten, die zu Problemen führen können. Einige sind gravierend und sorgen für richtig Stress. Andere sind etwas harmloser und werden mehr oder weniger geduldet. Welche Eigenarten stören Dich zum Beispiel? Übervorsichtig, zurückhaltend, rauchen, trinken, Unzuverlässigkeit, Eifersucht, Zappeln, zu lautes Reden oder Schweigsamkeit, nicht zuhören, permanentes Zocken, Verschwendung, Eitelkeit, Ordnungswahn …
Die Aufzählung lässt sich beliebig fortführen. Ich bin sicher, Dir fallen sofort einige Eigenschaften ein, die Dich stören oder auf die Du von Deinen Mitmenschen angesprochen wurdest. Wie hast Du darauf reagiert? Hast Du Dich verteidigt, bist in die Ablehnung gegangen oder hast Du die Kritik angenommen und versucht, etwas an Dir zu ändern? Niemand ist perfekt, und zum Glück erwartet das auch niemand. Aber einige Dinge an sich sollte man schon ändern, wenn sie immer wieder der Grund für Ärger und Ablehnung sind.
Wie gesagt, Du musst nicht perfekt werden. Du sollst Dich auch nicht verstellen oder verbiegen und erst recht sollst Du nicht gegen Deine eigenen Werte und Überzeugungen handeln. Überlege Dir aber bitte, ob es sinnvoll sein kann, einen Schritt auf andere zuzugehen. Einige Eigenarten hat man sich im Laufe des Lebens angewöhnt. Wenn diese Eigenarten jetzt nicht mehr passend sind oder gar stören, dann tue etwas, um sie wieder abzulegen. Das ist zwar leichter gesagt als getan, aber es ist möglich, wenn Du es wirklich willst.
Es ist immer eine Frage der Motivation. Raucher haben nach jahrelangem, intensivem Zigarettenkonsum mit dem Rauchen von einem Tag auf den anderen aufgehört, weil sie zum Beispiel Eltern geworden sind. Menschen, die eine schwere Krankheitsdiagnose bekommen haben, haben ihr komplettes Leben verändert, um wieder gesund zu werden oder zumindest eine verbesserte Chance darauf zu bekommen. Es muss aber nicht immer ein gravierendes Ereignis sein, damit man es tatsächlich schafft, sich zu ändern. Wie so vieles im Leben ist alles eine Kopfsache. Wenn Du die richtige Einstellung, die richtigen Gründe und die richtige Perspektive hast, dann kannst Du vieles ändern und erreichen.
Aber auch mit der richtigen Motivation wirst Du Dich selten von einem Tag auf den anderen verändern. Solche Prozesse brauchen Zeit. Habe also Geduld und sei auch nicht zu hart zu Dir, wenn Du mal einen Rückfall hast. Das gehört dazu. Das Leben ist nun mal kein gerader Weg. Es gibt immer Höhen und Tiefen. Wachsen und Dich verbessern wirst Du nur, wenn Du alle diese Phasen meisterst. Nicht, wenn Du bei der erstbesten Kleinigkeit aufgibst.
Damit kommen wir zum nächsten wichtigen Punkt bei diesem Thema. So wie Du die richtige Motivation brauchst, um Änderungen vorzunehmen, so brauchen es die Menschen in Deinem Umfeld auch. Sie brauchen aber auch eine gewisse Zeit, um sich zu ändern, und sie werden genauso Rückschläge dabei erleben. Was ich Dir damit sagen will, ist, erwarte von Deinen Mitmenschen keine Wunder.
Ihnen einmal zu sagen, was Dich an ihnen stört, wird nicht dazu führen, dass sie sich ändern. Auch wenn Du ihnen ihre schlechten Eigenschaften hundertmal an den Kopf wirfst, ändert es nichts an ihrem Verhalten. Warum sollte es? Dein Gegenüber sieht vielleicht keine Notwendigkeit darin, sich zu ändern. Nur weil es Dich stört, ist es noch lange kein Grund für ihn. Er hat ja vermutlich kein Problem mit seiner Eigenart.
Je nachdem, wie wichtig Dir die Person ist und wie sehr Dich die Eigenart stört, solltet Ihr gemeinsam eine überzeugende Motivation dafür finden, eine Änderung herbeizuführen. Und auch dann wirst Du der Person immer mal wieder einen Wink mit dem Zaunpfahl geben müssen, damit sie aktiv die Veränderung vorantreibt. Das kann unter Umständen nervig werden, ohne Frage. Aber denke immer daran, wie oft Du Dir schon vorgenommen hast, etwas an Dir zu ändern. Habe Verständnis und nehme Rücksicht.
Klar, wenn Du über Jahre hinweg wöchentlich der Person gesagt hast, was Dich stört, sie motiviert hast und unterstützt hast, sie sich aber nicht ändert, dann ist Hopfen und Malz verloren. Dann ist es irgendwann Zeit, die Bemühungen aufzugeben. Aber noch einmal: Bei jemandem, den man mag oder sogar liebt, da sollte man nicht gleich die Flinte ins Korn werfen. Vielleicht hast Du einfach noch nicht die richtige Motivation für die Person gefunden.
Ich erzähle Dir mal ein gutes Beispiel hierfür aus meinem eigenen Leben. Ich war und bin es zum Teil immer noch, in meiner Freizeit nicht unbedingt aktiv. Ich komme gut damit zurecht, zu Hause auf dem Sofa zu sitzen und ein Buch zu lesen. Gerade nach einer anstrengenden Arbeitswoche wollte ich am Wochenende nicht unbedingt um die Häuser ziehen oder einen Städtetrip unternehmen. Meine zweite Frau war da ganz anders. Sie brauchte es, regelmäßig etwas zu unternehmen. Diese unterschiedlichen Interessen waren ein Grund dafür, dass wir ein paarmal darüber diskutiert haben. Als wir dann Kinder hatten, hat sie mich irgendwann gar nicht mehr gefragt, was wir unternehmen können. Stattdessen hat sie mich gefragt, ob ich was dagegen habe, wenn sie mit ihrer Freundin was unternimmt. In dem Moment habe ich mir nichts dabei gedacht und habe die beiden Frauen ziehen lassen. Was sollte ich auch dagegen haben? Ich konnte zu Hause bleiben und meine Frau konnte etwas unternehmen. Eigentlich eine Win-win-Situation. Außerdem muss ja einer auf die Kinder aufpassen. Im Nachhinein bin ich um einiges schlauer. Ihr ging es nicht unbedingt darum, etwas zu unternehmen. Sie wollte Zeit mit mir verbringen und nicht am Sofa versauern. Viel klüger wäre es also gewesen, ihr zu sagen, dass die Freundin auf die Kinder aufpasst und ich mit ihr einen schönen Abend verbringe. Aber wie gesagt, hinterher ist man immer schlauer. Ich habe Ihre Bemühungen, mich zu aktivieren, nicht für voll genommen. Und ich habe es auch nicht mitbekommen, als Sie die Bemühungen eingestellt hat. Sie hat zwar, am Anfang, mit mir darüber gesprochen, hat es aber irgendwann aufgegeben. Es ist Ihr nicht gelungen, bei mir die nötige Motivation für eine Veränderung zu entfachen.
Als sie mich verlassen hat, habe ich erkannt, was für ein Idiot ich war und was ich falsch gemacht habe. Da war es dann jedoch zu spät. Hätte meine Frau mir aber das Problem nicht nur vorgeworfen, sondern mich aktiv dazu motiviert, mein Verhalten und meine Einstellung zum Ausgehen zu ändern, hätten wir garantiert ein paar schöne, interessante Erlebnisse mehr in unserer Ehe gehabt. Noch einmal, um es zu verdeutlichen. Eine glückliche Beziehung erfordert Einsatz, manchmal auch sehr viel Einsatz. Der Preis, den man zahlt, kann sich am Ende aber mehr als lohnen. Mache Dir also bewusst wie Du mit den Eigenarten Deines Partners umgehen willst.
An der Stelle mal eine Frage an Dich. Wann wirfst Du einem Mitmenschen seine negativen Eigenarten vor? Tust Du es im Alltag? Eher nicht, oder? Da hast Du den Kopf mit anderen Dingen voll und keine Zeit, Dich mit den Eigenarten eines anderen zu beschäftigen. Tust Du es in schönen, harmonischen Momenten? Bei einem leckeren Essen zum Beispiel. Sagst Du dann aus heiterem Himmel heraus: „Übrigens, ich wollte Dir noch sagen, dass mich das und das an Dir stört.“ Das machst Du wohl eher auch nicht. Wäre ja schade, wenn man durch die anschließende Diskussion keine Zeit mehr für das leckere Essen hat. Also, wann kommen die negativen Eigenarten zur Ansprache? Meistens doch dann, wenn wir sauer auf den Menschen sind.
Vermutlich bist Du zu Recht sauer, weil die negative Eigenart deines Gegenübers dich gerade so richtig auf die Palme bringt. Und dann platzt es aus Dir raus. Du machst Vorwürfe, wirst laut und tobst wie ein bockiges Kind. Wie soll Dein Gegenüber darauf jetzt reagieren? Wenn er nicht ohnehin schon ein schlechtes Gewissen hat, wird er versuchen, sich zu verteidigen. Er wird Ausreden finden und alles tun, nur um in diesem Streit sein Gesicht nicht zu verlieren. Niemand mag es, angegriffen, verurteilt und niedergemacht zu werden. Mit Deinen Vorwürfen und Diskussionen wirst Du niemals das erreichen, was Dir wichtig ist. Niemals. Wenn Du also möchtest, dass die Person sich ändert, dann musst Du andere Mittel und Wege benutzen.
Fassen wir zusammen. Niemand ist perfekt. Auch Du nicht. Jeder hat seine Ecken und Kanten. Einige davon sollte man hin und wieder mal bearbeiten, damit sich niemand daran verletzt. Werde aber bitte auch kein runder, wabbeliger Gummiball, der sich von jedem hin- und herschubsen lässt und sich immer anpasst. Sei Du selbst, sei stolz auf Dich und wenn notwendig, ändere etwas an Dir, um noch besser zu werden.
Du entscheidest, welche Deiner Eigenarten Du anpassen möchtest und welche Eigenschaften von Deinen Mitmenschen Dich so sehr stören, dass Du ihnen dabei helfen wirst, sie zu verändern.