Fangen wir mit den Erwartungen an. Welche Erwartungen hast Du an eine Partnerschaft? Und kennst Du die Erwartungen von Deinem Partner, Deiner Partnerin? Ok, mal ehrlich: Wenn man sich verliebt, macht man sich kaum Gedanken darüber, was man in Zukunft von dem Partner, der Partnerin erwartet. Erst recht fragt man seine neue Liebe nicht nach deren Erwartungen. Viel eher genießt man die Zeit miteinander und erwartet lieber nicht zu viel. Denn wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden, ist die Enttäuschung umso größer. Natürlich hat man aber trotzdem Vorstellungen und Erwartungen. Keine Frage. Aber erstmal lässt man alles auf sich zukommen. Man wägt ab und entscheidet spontan. Schließlich muss man sich ja erst kennenlernen.
Tief in unserem Inneren haben wir aber diese Erwartungen. Wir hatten an anderer Stelle schon darüber gesprochen, wie man sich seinen Traumpartner, seine Traumpartnerin vorstellt. Und auch über seine Beziehung hat man sich schon so einige Gedanken gemacht. Der eine möchte eine lockere Beziehung, die andere eine harmonische. Sie möchte Kinder und eine glückliche Familie. Er braucht jemanden, der ihm die Wäsche wäscht und für ihn kocht. Dann gibt es jemanden, der in seiner Beziehung das Sagen haben will und es auf den Tod nicht ausstehen kann, wenn es nicht nach seinem Plan läuft. Oder sie möchte jede größere Entscheidung ausdiskutieren, um nicht die alleinige Verantwortung tragen zu müssen. Schließlich ist man doch ein Paar und als Paar entscheidet man alles zusammen.
Das waren jetzt nur wenige Beispiele und auch wenn ich mal ihm und mal ihr etwas zugeschrieben habe, so kann es auch gerne andersherum sein. Machen wir es aber nicht komplizierter, als es ohnehin schon ist. In einer Beziehung befinden sich immer zwei Menschen, die zum Teil unterschiedliche Erwartungen an ihre Beziehung, an den Partner und an sich selbst haben.
Welche Erwartungen unser Partner hat, erfahren wir am ehesten, wenn wir danach fragen. Aber welche Erwartungen hast Du? Fangen wir damit an, welche Erwartungen Du an Dich in Bezug auf eine Partnerschaft hast. Die Frage musst Du Dir in erster Linie selbst beantworten.
Ich für meinen Teil habe nach der zweiten gescheiterten Ehe folgende Definition für mich gefunden: Ich werde meine Partnerin, wann immer es möglich ist, so gut wie möglich unterstützen. Dabei achte ich jedoch nicht nur auf die Bedürfnisse meiner Partnerin, sondern auch auf meine eigenen. Denn nur wenn es mir gut geht, kann ich für andere etwas Gutes tun. Das musste ich erst lernen und verinnerlichen. Dabei hat mir ein gutes Beispiel geholfen. Wenn in einem Flugzeug ein Notfall eintritt und die Sauerstoffmasken von der Decke fallen, ist die wichtigste Anweisung: Setze erst Dir die Maske auf und dann Deinem Kind. Eltern wollen aber erst ihr Kind retten. Und während Sie versuchen, dem Kind zu helfen, geht Ihnen die Luft aus. Am Ende ist keinem damit geholfen.
Also ist die Entscheidung: Kann ich helfen? Will ich helfen und wie kann ich helfen, damit ich hinterher nicht selbst Hilfe brauche? Es gibt Zeiten in einer Partnerschaft, da muss man jedoch über seine Grenzen hinausgehen, um die Beziehung zu retten. Das geschieht aber zum Glück nicht so oft. Viel häufiger kommt es vor, dass einer von dem anderen Hilfe fordert, weil er selbst keine Lust auf die Aufgabe hat, weil er keine Zeit hat oder er damit überhaupt nicht klarkommt. Hier kannst Du helfen, Du musst es aber nicht zwingend. Wenn Du nicht helfen möchtest, dann brauchst Du es nur zu sagen. Vielleicht begründest Du Deine Entscheidung und erklärst sie. Solche Gespräche sind nicht immer einfach und oft wird einem ein schlechtes Gewissen eingeredet oder man wird vor vollendete Tatsachen gestellt. Meine zweite Frau konnte das sehr gut. Ihr Lieblingssatz in solchen Fällen war dann immer „Es ist wie es ist. Ich kann es nicht ändern.“ Übersetzt hieß das: „Egal wie Du es machst und wie es Dir dabei geht, aber Du machst es.“
Zurück zum Thema: Welche Erwartungen habe ich an eine Beziehung? Für mich muss eine Beziehung auf Augenhöhe passieren. Beide sind ehrlich zueinander. Beide sind aneinander interessiert, hören sich zu und versuchen, den anderen und seine Bedürfnisse zu verstehen. Beide behandeln den jeweils anderen mit Respekt und akzeptieren auch seine Entscheidungen. Mir ist es wichtig, dass jeder seine Interessen und Stärken ausleben kann. Man muss nicht 24 Stunden, 7 Tage die Woche beieinander sein. Wenn meine Partnerin Zeit für sich braucht, dann ist das völlig okay. In meiner Beziehung gibt es aber auch sehr viel Zeit miteinander. Gemeinsame Spaziergänge, gemeinsam kochen und essen, gemeinsame Erlebnisse und gemeinsame, kuschelige Fernsehabende. Und auch Sex gehört in meine Beziehung. Zum Thema Sex schreibe ich aber in einem anderen Kapitel mehr.
Welche Erwartungen habe ich an meine Partnerin? Sie soll mich anhimmeln, verehren und vergöttern. Sie soll vor mir auf die Knie fallen und mir jeden Wunsch von den Augen ablesen. Sie bekocht mich, putzt und wäscht für mich und sie finanziert mir mein Leben. Sie soll wunderschön und sexy sein und im Bett eine absolute Granate. Mehr erwarte ich nicht von meiner Partnerin.
Ok, Spaß beiseite. Manche Erwartungen sind einfach zu übertrieben. Da möchte jemand auf Händen getragen werden, vergisst dabei aber, dass der Partner einen anstrengenden Job hat und abends kaum noch Kraft hat, um das Besteck fürs Abendessen zu halten. Wie soll er da seine Partnerin auf Händen tragen? Ein anderer möchte, dass sich alles um ihn dreht, und vergisst dabei das Bedürfnis seines Partners. Dass jeder der einzige oder die einzige für jemanden sein will, ist verständlich, es wird aber vergessen, dass wir nicht isoliert leben. Man hat Kontakt zu Arbeitskollegen, seinem Expartner, weil man noch gemeinsame Kinder hat, um die man sich kümmern muss. Und wenn man sympathisch, attraktiv und freundlich ist, bleibt es nicht aus, dass auch andere zu einem Kontakt haben möchten. Ob das jetzt ein Grund zur Eifersucht ist, klären wir an einer anderen Stelle. Was ich damit sagen möchte, ist: Es hat jeder so seine Erwartungen an eine Beziehung. Ob sie realistisch sind, kommt immer auch auf den Partner und auf die Art und Weise an, wie man diese Erwartungen miteinander kommuniziert.
Zurück zu meinen Erwartungen: Wenn die obere Aufzählung wirklich meine Erwartungen an meine Partnerin wären, dann würde ich ein Leben lang Single bleiben. Jetzt aber mal ehrlich. Was erwarte ich von meiner Partnerin? In erster Linie erwarte ich nichts, was ich nicht selbst bereit bin zu geben. Zweitens: Jegliche Erwartung an meine Partnerin ist grundsätzlich falsch. Denn wenn ich von meiner Partnerin etwas erwarte, bin ich nicht mehr in einer partnerschaftlichen Beziehung, sondern in einer geschäftlichen Beziehung. Die Aussage ist ein wenig übertrieben, soll aber verdeutlichen, worum es geht.
Ich kann förmlich den Widerspruch und den Protest hören: „Aber ich kann doch von meinem Partner dies oder jenes erwarten.“ Warum soll immer nur ich die Erwartungen des anderen erfüllen? Und so weiter und so weiter. Denke aber mal kurz darüber nach. Und schon bist Du bei dem Kern der Frage: Was erwarte ich von einer Beziehung?
Ist es wirklich wichtig, dass Dein Partner Deine Erwartungen erfüllt, damit Du ihn liebst? Ist das dann bedingungslose Liebe oder eher eine Gegenleistung? Und wer hat Dich dazu gezwungen, die Erwartungen Deines Partners zu erfüllen? War es nicht Deine eigene Entscheidung? Warum hast Du sie so getroffen? Vermutlich aus Angst. Angst davor, deine Liebe zu verlieren. Hättest Du die Person aber wirklich verloren, wenn Du Dich anders entschieden hättest? Und wenn es so gekommen wäre, war es dann wirklich die wahre Liebe?
Stelle an Deinen Partner keine Erwartungen. Er wird sie selten erfüllen. Und wenn er es doch tut, bist Du dann mit dem Ergebnis zufrieden? Nehmen wir an, meine Partnerin würde von mir erwarten, dass wir gemeinsam die Wohnung sauber halten. Da stellen sich gleich mehrere Fragen. Wer macht was? Wer macht seine Aufgaben wann? Was ist sauber?
Man könnte jetzt aufteilen, dass meine Partnerin das Wohnzimmer und das Schlafzimmer sauber hält und ich die Küche und das Bad. Ist das gerecht? Dazu könnte man einen Wochenplan erstellen. Jeden Mittwoch habe ich das Bad zu putzen und jeden Tag die Küche sauber zu halten. Was ist, wenn ich an einem Mittwoch länger arbeiten muss oder mal eine Woche krank im Bett liege? In diesen Fällen würde ich die Erwartungen meiner Partnerin nicht erfüllen können. Welche Folgen hätte das? Das Bad würde eine Woche lang nicht geputzt werden. Ob das jetzt schlimm ist, hängt davon ab, wie meine Freundin den Begriff „Sauberkeit“ definiert. Wenn Sie nun das Bad putzt, bin ich dann in Ihrer Schuld? Hat Sie das Recht, in der nächsten Woche von mir zu erwarten, dass ich auch Ihre Aufgaben übernehme? Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, weil ich Ihre Erwartungen nicht erfüllt habe? Und muss ich es wieder gutmachen?
Ein anderes Beispiel. Hast Du Deinen Partner schon mal überrascht? Ein romantischer Abend mit Kerzenschein, einem Glas Wein und kuscheliger Musik? Was hast Du Dir davon erhofft? Welche Reaktion hast Du von Deinem Partner erwartet und hat er so reagiert, wie Du es Dir vorgestellt hast? Deine Erwartungen an diesen Abend können ziemlich schnell in Luft aufgehen, wenn Dein Partner gestresst nach Hause kommt und in seinem Kopf noch hundert wichtige Dinge kreisen. Sicherlich wird er sich über Deine Bemühungen freuen. Aber wird er auch abschalten können? Wird der Abend so verlaufen, wie Du es Dir vorgestellt hast, oder verbringt Ihr ein, zwei Stunden bei einem Glas Wein und Kerzenschein zusammen? Danach geht Dein Partner müde und k. o. ins Bett, um zu schlafen. Leider nicht mit Dir, so wie Du es vielleicht erwartet hattest.
In unserer digitalen Welt ist jeder für jeden immerzu erreichbar. Unterbewusst erwarten wir, dass die Person, die wir lieben und die auch uns liebt, sofort auf eine Nachricht von uns reagiert. Ist Dir das schon mal passiert, dass Du Deinen Partner angeschrieben hast und er nicht geantwortet hat? Nach 10 Minuten keine Antwort, nach einer Stunde immer noch nicht. Machst Du Dir jetzt schon Gedanken darüber, warum er nicht antwortet? Wenn nach 3 Stunden immer noch keine Reaktion erfolgt ist, welche Gedanken gehen Dir dann durch den Kopf?
Du siehst, das mit den Erwartungen ist ziemlich kompliziert. Wie geht man nun aber damit um? Am besten redet man darüber. Um in dem ersten Beispiel zu bleiben. Dass jeder seinen Teil dazu beiträgt, damit die Wohnung sauber und wohnlich bleibt, steht außer Frage. In den meisten Fällen wird man sich die Arbeit auch irgendwie teilen. Ob das nun vertraglich geregelt wird oder auf Zuruf passiert, hängt von den beiden Persönlichkeiten ab. Wenn man sich respektiert und achtet, dann übernimmt man mal mehr Aufgaben, wenn der andere gerade nicht so kann. Daran knüpft man aber keine Bedingungen. Und erst recht erwartet man dafür keinen Ausgleich. Man tut es aus Liebe.
Ich gebe Dir mal einen gut gemeinten Tipp. Anstatt zu erwarten, dass Dein Partner etwas tut, kannst Du ihn auch lieb darum bitten. Nicht in einem Befehlston oder durch einen Vorwurf nach dem Motto: „Schau mal, wie es hier wieder aussieht.“ Bitte ihn so darum, wie Du einen guten Freund um etwas bitten würdest. Dein Partner kann Deine Bitte natürlich ablehnen. Das ist sein gutes Recht. Er verletzt damit aber nicht Deine Erwartungen, denn Du kannst an eine Bitte keine Erwartungen knüpfen. Wenn Dein Partner Deine Bitte annimmt, dann tut er es aus freien Stücken und Ihr fühlt euch beide gut. Wenn er sie ablehnt und Du keine Erwartungen hattest, fühlt Ihr euch auch beide gut. Dein Partner muss nichts tun, was er gerade nicht tun möchte, und Du hast auch nichts verloren. Du tust einfach das, worum Du Deinen Partner gebeten hast, selbst, weil Du es ohnehin hättest tun müssen. Ihr könnt ja auch besprechen, dass die Tätigkeit nicht unbedingt jetzt noch erledigt werden muss. Sprecht aber dann auch ab, in welchem Zeitraum sie erledigt werden sollte. Anderenfalls kommt es bald wieder zu Diskussionen.
In dem Moment, in dem Du für Deine Leistung eine Gegenleistung erwartest, solltest Du Dir ernsthaft Gedanken darüber machen, ob Du Deinen Partner noch liebst. Es ist Deine Entscheidung, welche Erwartungen Du hast und welche Erwartungen Du erfüllst. Und es ist Deine Entscheidung, ob Du aus Liebe oder aus anderen Gründen heraus handelst. Am Ende wirst Du die Früchte oder die Konsequenzen für Deine Erwartungen und Dein Handeln ernten.
Ausnahmslos jeder hat Erwartungen an eine Beziehung. Weit verbreitet ist die Erwartung, dass die Beziehung ein Leben lang hält. In früheren Jahren war das auch eine durchaus realistische Erwartung, auch wenn der ein oder andere in dieser Lebenslagenbeziehung nicht glücklich war. In der heutigen Zeit ist es eher unwahrscheinlich. Ich würde sogar behaupten, es ist unrealistisch, dass eine Beziehung ein Leben lang hält. Gründe gibt es dafür viele. Einige davon besprechen wir in diesem Buch.
Eine weitere Erwartung, die viele an ihre Beziehung haben, ist, dass man immer glücklich und verliebt ist. So funktioniert aber das Leben und auch eine Beziehung nicht. Im Leben gibt es immer Höhen und Tiefen. Gute Zeiten und schlechte Zeiten. In einer Beziehung ist man mal unsterblich verliebt und ein anderes Mal möchte man den Partner am liebsten in die Hölle schicken. Und wenn du das nächste Mal ein glückliches Paar triffst, welches schon über Jahre glücklich miteinander zu sein scheint, frage doch mal nach ihrem Geheimnis. Vielleicht spielen sie nur das glückliche Paar und hinter der verschlossenen Tür giften sie sich nur an.
Ebenfalls eine beliebte Erwartung ist es, dass der Partner einen kennt und weiß, was man möchte, was man braucht, und dass er erkennt, wie es einem geht. Zugegeben, das wäre schön und würde vieles erleichtern. Die Realität ist aber, dass jeder viel mehr mit sich selbst beschäftigt ist und seinen Partner, trotz unendlicher Liebe zu ihm, oft nicht wahrnimmt, versteht und erst recht nicht seine Gedanken lesen kann. Ich habe es weiter oben schon mal geschrieben: Erwarte nichts von deinem Partner, was du nicht selbst bereit bist zu geben. Und wenn du eine Zeit lang versuchst, dich in deinen Partner hineinzuversetzen, um seine Gefühle und Bedürfnisse besser zu verstehen und zu erkennen, dann merkst du, wie anstrengend das ist. Du merkst aber auch, dass Du dich dabei selber vergisst. Und das ist gefährlich. Erwarte also nicht von deinem Partner, dass er dir jeden Wunsch von den Augen abliest, rede mit ihm darüber. Redet über eure Gefühle, eure Bedürfnisse und darüber, was euch beschäftigt.
Das hat den großen Vorteil, dass ihr wertvolle Zeit miteinander verbringt, euch gegenseitig besser kennenlernt und ihr euch gegenseitig überraschen könnt, weil ihr später den ein oder anderen Wunsch des anderen doch ab und zu von dessen Augen ablesen könnt.
