Gewohnheiten

Neben Deinen Werten hast Du auch einige Gewohnheiten. Du weißt schon, was Gewohnheiten sind, oder?  Ok prima. Mal Hand aufs Herz, bist Du mit Deinen Gewohnheiten immer so zufrieden? Über vieles machst Du Dir keine Gedanken. Du kannst vermutlich noch nicht mal mehr sagen, warum Du das so tust oder seit wann es so ist. Diese Dinge sind Dir in Fleisch und Blut übergegangen und werden von Dir nicht infrage gestellt. Welche Gewohnheiten hast Du?

Eine meiner Gewohnheiten ist es, nachdem der Wecker mich aus meinem Schlaf gerissen hat, mir erstmal einen Kaffee zu machen. Dann gehe ich mit dem Kaffee wieder ins Bett, checke mein Handy auf Nachrichten und dann lese ich in einem Buch. Nach ca. 30 Minuten stehe ich dann endgültig auf. Um in den Tag zu starten. Zugegeben, das ist eine harmlose Gewohnheit, an der sich kaum jemand stören wird. Aber was wäre, wenn ich mir angewöhnt hätte, nach dem Essen eine Zigarette zu rauchen oder jeden Abend ein bis drei Bier zu trinken?

Deine Gewohnheiten sind für Dich persönlich, praktisch, sinnvoll und sinnvoll. Sie geben Dir einen gewohnten Rhythmus und erleichtern dadurch Deinen Alltag oder machen ihn schöner, angenehmer. Ob das auch immer gesund ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Du brauchst jedenfalls Deine Gewohnheiten. Aber zurück zu der Frage, was Deine Gewohnheiten sind.  Brauchst Du morgens eine Stunde im Bad, um Dich zu Recht zu machen? Gehst Du nach Deinem Feierabend ins Fitnesscenter oder joggen? Verbringst Du Deine Zeit stundenlang am Handy oder der Spielekonsole? Fährst Du immer an denselben Ort in den Urlaub? Isst Du immer nur die gleichen Lebensmittel und probierst nie etwas anderes? Rauchst Du? Trinkst Du regelmäßig Alkohol? Oder brauchst Du Musik zum Einschlafen?

Ich weiß nicht, welche Gewohnheiten Du hast. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass dabei die ein oder andere Gewohnheit ist, die jemand anderes total ablehnt, oder die ihn wahnsinnig macht.  Solange Du allein bist, mit Deinen Gewohnheiten, ist alles prima. Schwierig wird es, wenn jemand anderes in Dein Leben tritt.

Gewohnheiten haben die negativen Eigenschaften, dass sie sich nicht einfach abstellen lassen. Wenn Du 10 Jahre lang jeden Morgen Deinen ersten Kaffee im Bett trinkst, dann kannst Du nicht von heute auf morgen darauf verzichten. Es ist wie eine Sucht. Und wenn sie nicht befriedigt wird, beginnt der Tag schon nicht optimal. Du kannst aber auch nicht einfach eine neue Gewohnheit integrieren.

Du kannst nicht einfach sagen, „ok, der Kaffee im Bett ist nicht gesund. Ich gehe stattdessen eine halbe Stunde joggen“. Die Idee scheint ja noch gut zu sein, aber die Umsetzung wird extrem schwierig. Zu groß ist die Versuchung, mit dem frischen Kaffee ins kuschelige Bett zu gehen. Warum solltest Du Dir jetzt auch einen Jogginganzug anziehen und hinaus in den dunklen, kalten, nassen Novembermorgen gehen? Um zu joggen? Ach, komm schon. Der Kaffee im kuscheligen Bett ist viel angenehmer.

Wenn Deine Motivation für die neue Gewohnheit nicht exorbitant groß ist, dann wird es schwer, sie auf Dauer umzusetzen. Experten gehen davon aus, dass Du eine Tätigkeit mindestens 25 Tage am Stück gemacht haben musst, damit sie eine Gewohnheit geworden ist. Aus eigener Erfahrung kann ich Dir aber sagen, dass 25 Tage oft nicht ausreichen. Es kommt eben auf die Tätigkeit, Deine Motivation und Deinen Willen an.  Und selbst wenn Du die Anfangszeit überstanden hast, ist die Gewohnheit noch nicht so gefestigt. Bleiben wir beim Joggen. Gehen wir davon aus, dass Du es geschafft hast, 2 Monate lang jeden zweiten Tag joggen zu gehen. Wenn Du nun krank wirst und Dein Joggen für zwei Wochen ausfällt. Dann fällt es Dir schwer, wieder damit anzufangen. Erst recht, wenn Du während Deiner Krankheit in Deine erste Gewohnheit, Kaffee im Bett, zurückgefallen bist.

Du hast vermutlich schon Deine eigenen Erfahrungen mit Deinen Gewohnheiten gemacht und hast auch schon miterlebt, wie schwer es ist, sie loszuwerden oder bessere Gewohnheiten zu integrieren. Dann wird es jetzt Zeit für folgendes Gedankenspiel. Stell Dir vor, Du lernst jemanden kennen. Auch diese Person hat ihre eigenen Gewohnheiten. Kaum zu glauben, oder? Nein, aber mal im Ernst. Die Gewohnheiten der anderen Person treffen auf Deine Gewohnheiten. Was passiert? Sind sie kompatibel? Schließen sie einander aus? Hast Du Dir schon mal Gedanken darüber gemacht, was Du Deinem Partner mit Deinen Gewohnheiten zumutest?

Um das mal zu verdeutlichen. Wenn Dein Partner morgens eine Stunde im Bad braucht, Du aber mindestens genauso lange, ihr aber nur ein Bad habt. Dann ist das nicht nur ein Problem. Das ist eine Katastrophe.  Verstehst Du das Dilemma? Wenn zwei Menschen zusammenkommen, dann treffen auch liebgewonnene Gewohnheiten aufeinander. Und auch wenn man am Anfang einer Beziehung über das Ein oder andere hinwegsehen kann, so birgt es immer ein Konfliktpotenzial.

Rauchen ist zum Beispiel so eine Gewohnheit, die auf Dauer für Stress sorgt. Auch wenn beim Kennenlernen klar kommuniziert wird, dass jemand raucht, und der andere es überhaupt nicht leiden kann. Wenn aber der Raucher attraktiv, witzig, anziehend und interessant ist, was wirst Du tun? Gibst Du ihm eine Chance, mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass er Dir zuliebe mit dem Rauchen aufhören wird? Immerhin hat er selbst gesagt, dass er es vorhat, und er hat es ja auch schon mal probiert, von der Zigarette wegzukommen.

Vollziehe jetzt mal einen Rollenwechsel. Du bist nun der Raucher und möchtest Deine neue Liebe, durch Deine Rauchgewohnheiten, nicht gleich wieder verlieren. Was wirst Du tun? Wie gehst Du mit dem Konflikt um? Was ist Dir wichtiger, das Rauchen oder Deine neue Liebe? Welchen Kompromiss wirst Du eingehen, um Deine neue Liebe nicht zu verlieren?

Du merkst schon, Gewohnheiten können ganz schön schwierig werden. Aber es gibt auch schöne Gewohnheiten. Wenn Ihr Euch angewöhnt habt, Euch vor dem Schlafen in den Arm zu nehmen und liebevoll zu küssen, dann ist das eine wunderbare Gewohnheit. Davon kann es im Laufe einer Beziehung noch ganz viele geben. Du machst Deinem Schatz jeden Morgen einen Kaffee, Ihr verabschiedet Euch immer liebevoll, oder Ihr unternehmt jeden Freitagabend das gleiche Ritual, um zu zeigen, dass Ihr Euch liebt.

Gegen schöne, positive Gewohnheiten hat niemand etwas. Ganz im Gegenteil. Aber bleiben wir bei den negativen Gewohnheiten. Kennst Du auch Geschichten von Paaren, die sich wegen schlechter Gewohnheiten getrennt haben? Ich habe keine Ahnung, wie viele Beziehungen nach Monaten oder Jahren gescheitert sind, weil einer der Partner die negative Gewohnheit des anderen einfach nicht mehr ertragen konnte. Es gibt ja immer wieder die Geschichten mit der offenen Zahnpastatube, oder dem offenen Klodeckel, die dazu geführt haben sollen, dass eine Beziehung gescheitert ist. An sich sind es Kleinigkeiten, die normalerweise schnell geklärt werden können. Aber aus Gewohnheit ändert man sie nicht. Und nach Jahren wird Deinem Partner bewusst, dass Du Dich nicht ändern wirst und zack, Eure Beziehung ist beendet.

Einige Deiner Gewohnheiten möchtest Du aber auch gar nicht ändern. Du brauchst sie, es ist wie eine Sucht. Kannst Du der Gewohnheit nicht nachgehen, fehlt Dir etwas. Du wirst unzufrieden, unglücklich, frustriert. Bei mir ist so eine Gewohnheit das Lesen. Ich lese jeden Tag in einem Buch. Wenn ich mal ein paar Tage hintereinander nicht lesen kann, dann nervt mich das. Plötzlich werden andere Tätigkeiten infrage gestellt, verschoben oder ignoriert, nur um ein paar Seiten lesen zu können.  Du findest das krank?  Dann stell Dir vor, Dir würde jemand Deine Lieblingsgewohnheit verbieten. Findest Du das lustig?

Worauf ich hinaus will: Du hast Deine liebgewonnenen Gewohnheiten. Sie abzulegen oder zu ersetzen ist nicht einfach. Dein Partner hat ebenfalls seine Gewohnheiten. Und wenn Ihr auf alle Ewigkeit glücklich miteinander werden wollt, dann solltet ihr Lösungen für Eure Gewohnheiten finden. Sprecht sie an, wenn sie Euch auffallen. Wenn Ihr schon aus anderen Beziehungen wisst, dass Ihr die ein oder andere Gewohnheit habt, die zu Problemen geführt hat, dann redet darüber.

Aber bitte macht Eurem Partner keinen Vorwurf. Es sei denn, Du möchtest die Person, die Du liebst, verletzen und für immer aus Deinem Leben vertreiben. Für alle anderen gilt, redet darüber, was Dich an der Gewohnheit stört und warum es Dich stört. Mache aber gleichzeitig auch Lösungsvorschläge. Denn wie Du ja weißt, lässt sich eine Gewohnheit nicht von heute auf morgen abstellen. Biete Deinem Partner Hilfe an, gib ihm Zeit und komme immer mal wieder auf die Gewohnheit zu sprechen. Gib Deinem Partner Feedback. Er freut sich, wenn Du seine Bemühungen anerkennst. Und es motiviert ihn, weiterzumachen.

Wenn Du allerdings nur einmal das Thema ansprichst und dann nach 3 Monaten Deinen Partner damit konfrontierst, dass er sich nicht geändert hat, dann brauchst Du Dich nicht zu wundern, dass aus einer Gewohnheit ein Trennungsgrund geworden ist.

Mir ist bewusst, dass es nervig ist, immer wieder über dieselbe, schlechte Angewohnheit zu reden. Es kostet Zeit, Kraft und Energie. Vielleicht verdirbt es Dir oder Deinem Partner auch die Stimmung. Und wozu? Wozu sich den Mund fusselig reden? Man hat ja schließlich Wichtigeres zu tun. Und außerdem hast Du Deinem Partner doch schon deutlich gemacht, dass es Dich stört. Also liegt es doch an ihm, sich zu ändern. Und wenn er das nicht tut. Bitte, es ist doch seine Angewohnheit. Er muss mit den Konsequenzen leben.

Entschuldige, überwehen reden wir hier? Über Deine nervigen Nachbarn oder über den Menschen, den Du liebst, mit dem Du ein Leben lang zusammenbleiben wolltest?  Lass mich versuchen, es Dir anders zu verdeutlichen. Deine 3-jährige Tochter wirst Du hoffentlich nicht aus der Wohnung schmeißen, weil Sie es einfach nicht fertigbringt, Ihre dreckigen Sachen wegzuräumen. Sie wirst Du auch noch lieben, wenn Du weitere 10 Jahre auf sie eingeredet hast und sie mit 13 Jahren immer noch die Wäsche in Ihrem Zimmer verteilt.

Warum gibst Du aber Deinem geliebten Lebenspartner nach 5 Jahren den Laufpass, wenn er seine Gewohnheit nicht geändert hat?  Ich habe eine Vermutung dazu. Darauf komme ich aber in einem anderen Kapitel zu sprechen. An dieser Stelle möchte ich nur, dass Dir bewusst wird, dass jeder Mensch so seine Eigenarten hat.  Und je länger man allein ist, umso eingefahrener, umso gefestigter sind die Gewohnheiten. Umso schwieriger wird es, sich an die Gewohnheiten eines anderen anzupassen oder seine eigenen Gewohnheiten aufzugeben oder zu ändern. Je älter man wird, desto schwieriger ist es ohnehin, sich zu ändern. Versuche Dir doch nur mal vorzustellen, was für Gewohnheiten ein Mensch hat, der in der Mitte seines Lebens steht, der sagen wir 40 Jahre alt ist und schon 5 Jahre allein lebt. Glaubst Du echt, dass dieser Mensch seine Gewohnheiten von jetzt auf gleich ändern kann? Also nimm Rücksicht auf Deinen Partner. Sprecht über Eure Gewohnheiten, findet Lösungen oder lernt gemeinsam, mit den Gewohnheiten des anderen umzugehen. Und denkt immer daran. Ihr tut es, um Euch eine gemeinsame, glückliche Zukunft zu schaffen. Mit einem Menschen, den Ihr liebt, dem ihr euer Herz geschenkt habt.

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