Und weil wir gerade schon bei Internetbekanntschaften waren, intensivieren wir dieses Thema auch gleich.
Ich habe keine Ahnung, wie viele Dating-Portale, Singlebörsen oder Plattformen zum Kennenlernen von Freizeitpartnern es gibt. Fest steht aber, dass es für jeden Geschmack mindestens eine Internetadresse gibt. Egal, ob Du Teenager bist und jemanden zum Chatten suchst oder Rentner bist und jemanden zum Kartenspielen suchst. Es gibt Seiten nur für Homosexuelle, für Menschen mit Handicap oder Menschen mit speziellen Vorlieben. Du wirst im Internet garantiert fündig.
Ich werde mich hüten und Dir hier irgendwelche Portale anbieten. So viel Geld kann man mir gar nicht bezahlen, damit ich mich dazu hinreißen lasse. Denn egal welche der unzähligen Seiten Du auch besuchst oder selbst nutzt, Du bist dort in einer virtuellen Welt, fernab der Realität.
Das erste Handicap bei den meisten Seiten oder Apps besteht darin, dass die Betreiber solcher Seiten Geld verdienen wollen. Am liebsten natürlich sehr viel Geld. Das heißt, Du musst, um den Service der Seite nutzen zu können, erstmal bezahlen. Nun wird ja damit geworben, dass durch den Bezahlvorgang nur seriöse, geprüfte Nutzer auf der Seite vertreten sind. Mach Dir aber bewusst, dass der Betreiber der Seite mehr Geld verdient, wenn Du nicht gleich am ersten Tag Deinen Traumpartner findest. Je länger Du auf der Seite registriert bist, umso mehr verdient er. Die Seite wird natürlich auch nur dann für Nutzer interessant, wenn genügend Auswahlmöglichkeiten vorhanden sind und möglichst viele interessante Menschen dort registriert sind.
Du siehst, hier treffen zwei unterschiedliche Absichten aufeinander. Du als Nutzer möchtest aus möglichst vielen interessanten Menschen so schnell wie möglich Deinen Traumpartner finden. Der Betreiber der Plattform möchte Dich so lange wie möglich auf der Plattform halten, um mit Dir Geld zu verdienen. Ich sage nicht, dass diese Plattformen illegale Geschäfte betreiben und Dich über den Tisch ziehen wollen. Du solltest Dich jedoch ehrlich fragen, ob es die Investition wert ist, sich dort zu registrieren.
Neben den kostenpflichtigen Plattformen gibt es auch die kostenlosen Plattformen. Hier tummelt sich die ganze Bandbreite der menschlichen Gesellschaft. Nicht jeder, der dort ein Profil besitzt, ist so ehrlich wie Du. Auf diesen Plattformen wird gelogen, oder sollte ich lieber sagen: die Wahrheit verzerrt?
Verheiratete Menschen sind plötzlich in einer offenen Beziehung, Profilbilder werden verzerrt und bearbeitet, um attraktiver auszusehen, Hobbys werden erfunden, um interessanter zu wirken. Herzlich willkommen im Onlineshop für Menschen. Genau wie bei Amazon oder früher im Quelle-Katalog wird der Artikel in den höchsten Tönen gelobt und mit den schönsten Bildern präsentiert. Der Artikel Mensch wird von seiner interessantesten Seite gezeigt, damit er auch von anderen gefunden wird.
Man kennt dieses Verhalten ja auch von Tieren. Tiere putzen sich heraus, geben die schönsten Laute von sich oder führen die spektakulärsten Tänze auf, um einen Partner anzulocken. Das funktioniert auch wunderbar. Auch bei Menschen auf Internetplattformen. Dich Vorsicht, im Gegensatz zu Tieren kann der Mensch lügen und sich verstellen.
Es gibt wahrscheinlich mehr Fake-Profile auf solchen Seiten als ehrliche. Es fängt beim Beziehungsstatus an, geht über die Angabe von Größe und Gewicht weiter und endet auch nicht bei den Angaben zum Rauch- und Trinkverhalten. Denn mal ehrlich, welche Frau möchte jemanden kennenlernen, der beim Trinkverhalten angegeben hat, dass er jeden Abend 4 Bier trinkt? Und welcher Mann sucht eine Frau, die schon 3 Kinder von 2 verschiedenen Vätern hat?
Es werden also nur positive Eigenschaften auf dem Profil veröffentlicht. Alles andere wird weggelassen oder die Angaben werden verschönert. Es gibt ja Witze darüber, wie den folgenden: Verabreden sich zwei Menschen, die sich im Internet kennengelernt haben, zu einem Treffen. Fragt die Frau den Mann: Wie erkenne ich Dich? Darauf der Mann: Wenn ich auf Dich zukomme, wirst Du denken: Bloß nicht der.
Ob die Angaben in den Profilen also immer der Wahrheit entsprechen, ist fraglich. Die Wahrheit kommt erst dann ans Licht, wenn man sich im realen Leben trifft. Und selbst dann weiß man immer noch nicht, ob der Gegenüber nicht doch etwas verheimlicht hat. Viel Spaß beim Herausfinden der Wahrheit.
Natürlich ist es einfach und interessant, im Internet durch die Profile der anderen Nutzer zu wischen. So viele hübsche, interessante Persönlichkeiten. Da ist garantiert der Traumpartner dabei. Es macht Spaß, miteinander zu schreiben und sich auszutauschen. In dieser virtuellen Welt kann man ewig viel Zeit verbringen und seinen Alltag vergessen. Aber wie gesagt, es ist virtuell. Ob die Realität auch so gut wird, ist eben fraglich.
Ich möchte auch noch auf ein anderes Problem beim Online-Dating hinweisen. Dadurch, dass die Auswahl an möglichen Partnern grenzenlos scheint, nimmt man auch zu vielen Nutzern Kontakt auf. Das, was dann folgt, ist ein wahres Gedächtnistraining. Wie war der richtige Name von Nutzer 2? Welche Hobbys hatte Nutzer 5? Und worüber habe ich mit Nutzer 1 schon alles geschrieben? Weiß Nutzer 3 von meinen Kindern? Und hatte mir Nutzer 4 schon erzählt, was er am liebsten isst? Ich denke, Du verstehst, worauf ich hinauswill. Wenn man zu viele Gespräche führt, verliert man den Überblick. Das könnte peinlich werden oder zu Missverständnissen führen. Die wiederum muss man dann lang und breit erklären, und das macht dann keinen Spaß mehr.
Entweder Du hast hier ein gutes System, um Dir die wichtigsten Fakten zu einer Person zu merken und sie auch immer wieder darauf ansprechen zu können, oder aber Du konzentrierst Dich nur auf eine Person und ignorierst alle anderen. Fakt ist jedenfalls, dass Du bessere Chancen beim Online-Dating, aber auch beim Live-Dating hast, wenn Du Dir wichtige Informationen merken kannst. Eure Gespräche werden dadurch viel intensiver und tiefer gehen. Du findest es doch auch besser, mit Deinem Namen angesprochen zu werden als mit einem Nutzernamen, oder? Und wenn Dein Gesprächspartner auf ein interessantes Thema zu sprechen kommt, über das Ihr schon vor Tagen mal gechattet habt, dann merkst Du, dass ihm das, was Du zu sagen hast, wichtig ist. Das macht viel mehr Spaß als nur oberflächlicher Smalltalk über das Wetter und die Dinge, die man gerade so tut.
Ob es irgendwann zu einem realen Treffen kommt, bleibt aber fraglich. Obwohl man sich im Chat gut versteht, bekommt einer von beiden vielleicht kalte Füße und macht einen Rückzieher. Warum ist das so? Vielleicht wird demjenigen bewusst, dass zwischen virtuell und Realität doch ein großer Unterschied besteht und er mit der ein oder anderen Eigenschaft des anderen im Realen doch nicht so gut klarkommen wird, wie gedacht. Hat Dein Online-Date vielleicht einen Hund, wird Dir vor dem ersten Treffen bewusst, dass Du dann bei Wind und Wetter mit dem lieben, knuddeligen Tier Gassi gehen musst und Hundehaufen einsammeln darfst. Oder Du kommst mit kleinen Kindern doch nicht so gut klar oder möchtest nicht fremde Kinder erziehen.
Manch einer sucht vielleicht wirklich jemanden für real, hat aber Angst davor, seinen Traumpartner real zu treffen. Oder er sucht wirklich nur virtuell, weil er im realen Leben keine Zeit oder keinen Platz für jemand anderen hat. Egal, was der Grund für die Absage ist, sie passieren häufig. So häufig, dass es dafür mittlerweile einen Begriff gibt. Ghosting. Es gibt vermutlich tausend Gründe, warum man den Schritt aus der virtuellen Welt in die Realität nicht macht.
Wenn Du dich aber in deinem Freundeskreis umhörst, finden sich die meisten Paare heutzutage dennoch online. Trotz der vielen Fakes, Betrüger, Lügner, Spinner und Gestörten die sich im Internet rumtreiben, scheint es doch möglich zu sein, jemand Nettes zu finden, der es ernst meint und nicht nur Spielchen spielt.
Ich persönlich hatte einige positive Erfahrungen mit Internetbekanntschaften gemacht. Angefangen von länger andauernden Onlinefreundschaften bis hin zu einer Frau, mit der ich dann 8 Jahre verheiratet war und mit der ich eine Familie gegründet habe, war alles dabei.
Das Kennenlernen und Chatten im Internet kann Spaß machen. Es lenkt vom Alltag und der Realität ab. Und wenn Du nicht aufpasst, verbringst Du mehr Zeit mit Deinen Onlinefreunden als mit Deinen realen. Das kann zu einer Art Sucht werden und dich von der Realität entfremden. Sei Dir deswegen immer bewusst, was Dir wichtiger ist. Möchtest Du jemand sein, der hunderte Onlinefreunde hat, oder lieber jemand mit zwei, drei realen Freunden, die auch für Dich da sind, wenn Deine Internetverbindung unterbrochen ist?
Da ich in beiden Welten sehr aktiv war, bin ich nach vielen Erfahrungen zu der Erkenntnis gekommen, dass ich die reale Welt, mit all ihren schönen, aber auch schlechten Seiten, der virtuellen Welt vorziehe. Lieber verbringe ich meine Zeit mit echten Menschen, die ich berühren kann, mit denen ich reden kann und die ich lachen oder weinen sehe, als mit virtuellen Charakteren. Diese sind nie da, wenn man sie mal dringend braucht, auf Antworten wartet man manchmal eine gefühlte Ewigkeit und wenn es kompliziert wird, sind diese „Freunde“ tagelang offline.
Ob Du Dating-Plattformen nutzt und wie Du damit umgehst, ist Deine Entscheidung. Und auch wenn Du im Internet relativ anonym unterwegs bist, sei Dir bewusst, dass Du hier nur ein Nutzer von vielen bist. Sei Dir bewusst, dass Du im Internet schneller als im realen Leben für einige Eigenschaften oder Äußerungen angefeindet, beleidigt und gemobbt werden kannst. Es ist auch jederzeit möglich, dass Dinge, die im Internet geschehen, ihren Weg in die reale Welt finden. Das kann gefährlich werden.
Ich wünsche Dir, dass Du schöne, positive Erfahrungen im Internet machst und Du Deinen Traumpartner findest. Ich drücke Dir dafür die Daumen, hoffe aber auch, dass Du Deinem realen Leben mehr Bedeutung schenkst als Deinem virtuellen. Dass Du die Schönheit der Welt und alles, was sie Dir zu bieten hat, nicht nur in einer Traumwelt hinter der Scheibe Deines Monitors siehst.