Eng mit den Erwartungen verbunden ist auch die Frage nach dem Umgang in und mit einer Beziehung. Zu einer Beziehung gehören in der Regel mindestens zwei Personen. Wenn aus der Beziehung eine Familie geworden ist, gehören auch noch Kinder dazu. Und jetzt wird es interessant. Als Single liebt man sich selbst und sein Leben. Als Liebespaar teilt man seine Liebe mit dem Partner. Und als Familie bekommen alle Mitglieder ein großes Stück von der Liebe ab.
Im besten Fall ist es ein ständiges Geben und Nehmen untereinander. Wobei Kinder eine Sonderrolle haben. Sie sollten auch dann Liebe erfahren, wenn sie kleine Monster sind. Bei Kindern kommt es häufig vor, dass man ihnen grenzenlose Liebe entgegenbringt, man jedoch wenig Gegenliebe erfährt. Es sind aber unsere Kinder und solange sie noch nicht selbständig sind und auf uns angewiesen sind, so lange haben sie ein Anrecht darauf, von uns geliebt zu werden. Wenn im Laufe des Lebens des Kindes etwas schiefgelaufen ist und das jugendliche oder erwachsene Kind der Meinung ist, auf die Liebe seiner Eltern verzichten zu können, dann ist es seine Entscheidung. Wir als Eltern können unser Kind dennoch lieben, müssen es aber dann nicht mehr tun. Wir können mit der Beziehung brechen, so wie wir mit Freundschaften oder mit früheren Beziehungen gebrochen haben.
Ich habe bewusst in den oberen Zeilen das Wort „schenken“ vermieden. Man kann zwar sagen „Ich schenke Dir meine Liebe“, aber tut man das wirklich? Wenn ich etwas verschenke, ist es nicht mehr in meinem Besitz. Man macht dem geliebten Menschen damit deutlich, dass er der einzige ist, der meine Liebe bekommt. Liebe kann man aber nicht verschenken. Eine Blume, einen Ring oder einen Kuss kann man verschenken. Aber Liebe kann man nur teilen. Man kann sie mit allen Menschen, die man liebt, Eltern, Freunden, Kindern und natürlich dem Partner teilen. Bei dem ganzen Verteilen der Liebe sollte man sich aber niemals selbst vergessen.
Denn wenn Du Dich selbst nicht mehr liebst, weil Du Deine ganze Liebe auf andere verteilt hast, dann wirst Du auf kurz oder lang sehr ungeliebt sein. Es gibt Partner in einer Beziehung, die tun alles für den anderen und die Kinder. Sie opfern sich auf und stellen ihre Bedürfnisse nach hinten. Ihnen ist das Wohl der anderen wichtiger als das eigene. Sie geben ihre ganze Liebe, Kraft und Energie anderen Menschen und sind am Ende frustriert, fühlen sich ausgenutzt und nicht wertgeschätzt. Das, was lieb gemeint war und aus voller Überzeugung begonnen hat, wurde von den Menschen, die man so sehr geliebt hat, falsch verstanden und misbraucht. Es wurde zur Selbstverständlichkeit. Und alles, was selbstverständlich ist, erfährt keinen Dank, keinen Respekt und auch keine Liebe. Diese Menschen fühlen sich leer und ungeliebt. Sie haben vergessen, für sich selbst zu sorgen, sich selbst so sehr zu lieben, dass sie für ihre Bedürfnisse einstehen und auch das Recht haben, mal Nein zu sagen.
Liebe Dich immer selbst. Nur so ist gewährleistet, dass Du Dinge aus Liebe tust und andere Menschen lieben kannst.
Verwechsle aber Deine Selbstliebe nicht mit Egoismus. Denn als Egoist wirst Du auf Dauer auch keine glückliche Beziehung führen. Wer nur sich selbst liebt und nur seine Bedürfnisse in den Vordergrund stellt und auf den Partner keine Rücksicht nimmt, wird zwar glücklich damit sein, wenn alles so läuft, wie er es sich vorstellt, aber der Partner wird irgendwann nach Möglichkeiten suchen, dass auch seine Bedürfnisse anerkannt und befriedigt werden. Das bedeutet nicht, dass er sich gleich trennen muss. Vielleicht arbeitet er länger, weil er dort den Respekt erhält, den er zu Hause vermisst. Vielleicht sucht er sich eine Affäre, die ihm die ersehnte Zärtlichkeit gibt. Oder er zieht sich zurück, geht lieber seinem Hobby nach, anstatt die Zeit mit dem Partner zu verbringen. Es gibt viele Möglichkeiten, sich die Dinge, die man in einer Partnerschaft nicht bekommt, woanders zu erhalten.
In einer Beziehung hast Du die Verantwortung für Dich selbst. Du hast aber auch eine Verantwortung gegenüber Deinem Partner. Und wenn Ihr Kinder habt, dann habt Ihr eine noch größere Verantwortung ihnen gegenüber. In dem Moment geht es nicht mehr nur um Dein Wohlbefinden. Es geht um das Wohlbefinden aller Familienmitglieder. Das wird heutzutage immer wieder vernachlässigt. Paare trennen sich aus den unterschiedlichsten Gründen heraus und die Kinder müssen mit der Entscheidung der Eltern klarkommen.
Sicherlich ist es nicht richtig, eine Beziehung am Leben zu erhalten, in der sich Mann und Frau nichts mehr zu sagen haben. Beziehungen, in denen nur noch gestritten wird, haben keine Basis für Harmonie und Zweisamkeit. Aber wenn es in einer Beziehung erst so weit gekommen ist, dann ist vorher schon eine ganze Menge schiefgelaufen.
Hat sich einer schleichend aus der Beziehung verabschiedet, weil er nicht beachtet, nicht respektiert wurde? Hat einer von Beiden zu sehr auf sich selbst geschaut? Wurden Probleme nicht angesprochen und nach gemeinsamen Lösungen gesucht? Ich finde die Behauptung „Wir haben uns auseinandergelebt“ so verlogen. Warum lebt man sich auseinander? Und warum ändert man nichts daran, wenn man erkennt, dass es in diese Richtung geht? Man wacht doch nicht eines Morgens auf und stellt fest, dass man den Partner, den man mal geliebt hat, plötzlich nicht mehr mag.
Was ich damit sagen will, ist, dass man in einer Beziehung nicht nur die Liebe, sondern auch die Verantwortung teilt. Es gibt kein einzelnes Ich in einer Beziehung. Nochmal: Wenn Du nur an Dich denkst und Deine Meinung, Wünsche, Bedürfnisse, Vorstellungen immer wichtiger sind als die Deines Partners, dann solltest Du Single bleiben.
Es gibt in einer Beziehung aber auch nicht nur das Du. Immer nur das zu tun, was der andere möchte, ständig auf ihn Rücksicht zu nehmen und immer für ihn da zu sein, macht Dich unglücklich und treibt einen Keil zwischen euch. Das ist dann keine Beziehung, sondern eine Abhängigkeit. Du denkst, Du liebst den anderen so sehr, dass Du alles für ihn tun würdest. Wenn Dein Partner glücklich und zufrieden ist, bist Du es auch. Falsch! Du kannst nur glücklich und zufrieden sein, wenn Du die Dinge, die Du tust, liebst. Wenn Du aber etwas tust, nur um jemand anderen glücklich zu machen, dann teilst Du das Glück nicht. Du verschenkst es. Und was Du verschenkst, ist nicht mehr in Deinem Besitz. Der andere ist glücklich und Du nicht.
Um es vielleicht deutlicher zu machen. Du backst einen Glückskuchen. Den kannst Du in viele Teile zerteilen und mit Deinen Liebsten gemeinsam genießen. Es haben alle was von dem Glück. Du kannst Deinen Glückskuchen auch allein behalten. Dann schauen die anderen zu, wie Du glücklich bist. Oder Du verschenkst den Glückskuchen. Dann ist der Beschenkte glücklich und Du musst zusehen, wie er sein Glück genießt.
Von daher kann es in einer Beziehung immer nur ein Wir geben. Wir sind alle füreinander verantwortlich. Wir sorgen füreinander, sind füreinander da und unterstützen einander. Mal tut der eine mehr als der andere. Bei einer anderen Gelegenheit ist es dann andersherum. Wir schaffen gemeinsam unsere Zukunft und unsere Beziehung.
Indem wir uns gegenseitig respektieren, aufeinander achten und miteinander reden, lösen wir gemeinsam Probleme, schaffen wunderschöne, gemeinsame Momente und sprechen ehrlich und offen über unsere Gefühle, Bedürfnisse und Vorstellungen. Wir als Paar sind verantwortlich für Einkommen, Haushalt, Freizeitaktivitäten und Kinder.
Bei einem „Wir“ gibt es keinen Gewinner und keinen Verlierer. Niemand fühlt sich ausgenutzt und vernachlässigt. Wir lieben uns und wir überstehen gemeinsam jede Schwierigkeit, die das Leben uns stellt. Wir sind zusammen mehr als nur zwei Menschen. Wir sind unschlagbar und ergänzen uns. Wir lernen voneinander, um das Wir noch stärker, noch fester und noch wundervoller werden zu lassen.
Ein Wir lässt nicht zu, dass ein Ich oder das Du dem Wir schadet. Es gibt nur das Wir, in das sich die Ichs integrieren und gemeinsam zusammenwachsen. In einem Wir gibt es aber auch zwei Ichs, die sich individuell entwickeln können, dabei aber das gemeinsame Wir nicht aus den Augen verlieren.
Ob es in Deiner Beziehung aber nun wirklich nur ein „Wir“ gibt, entscheidest Du. Aber nicht nur Du, sondern auch Dein Partner. Also ihr zusammen entscheidet euch für das Wir oder aber dagegen. Diese Entscheidung fällt ihr nicht nur am Anfang eurer Beziehung. Ihr entscheidet euch jeden Tag für das Wir. Je mehr ihr dieses Wir-Gefühl lebt und liebt, umso weniger wird sich ein Ich, ein Du oder jemand anderes eurer Wir stören.
Ein Wir kann sich nicht auseinanderleben. Das können nur zwei Ichs, die das Wir nicht wollen.
