Im vorherigen Kapitel haben wir über die möglichen Risiken bei der Kontaktaufnahme und der Partnerwahl gesprochen. Viele der Risiken verursachen wir aber auch selbst. Wir machen uns die Partnerwahl oft zu schwer. Die Wahl als solche scheint ja dabei noch relativ einfach zu sein. Aber die endgültige Entscheidung, ob man einen Partner und für welchen der möglichen Bewerber man sich entscheiden soll, fällt uns immer schwerer.
Machen wir einen kurzen Sprung in die Vergangenheit. Wie war die Partnersuche damals? Da ich jetzt selbst noch nicht so alt bin, kann ich Dir leider nicht aus erster Hand berichten, wie man früher, zum Beispiel im Mittelalter, seinen Partner gefunden hat. Aus Überlieferungen geht aber hervor, dass viele Ehen allein aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen wurden. Keine Liebe und keine Suche nach dem Partner, der am besten zu einem passt und der einem gefällt. Es wurde einzig und allein geschaut, welchen wirtschaftlichen Vorteil die Verbindung bringt.
Auch heutzutage gibt es noch solche Beziehungen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Frauen mit einem Mann zusammenbleiben, weil er ihnen Wohlstand garantiert. Da wird dann auch mal über den ein oder anderen Seitensprung hinweggesehen. Hauptsache, der Mann trennt sich nicht. Das Gleiche gibt es natürlich auch andersherum. Allein bei einigen Promis fragt man sich, warum ein junger Mann sich eine wesentlich ältere, wohlbetuchte Frau genommen hat. Aber das nur am Rande.
Die Generation meiner Eltern war schon wesentlich freier bei der Partnerwahl. Sie durften sich frei entscheiden, wen sie zum Partner nehmen wollten und ob sie mit ihm in den Bund der Ehe eintreten möchten. Sie wurden offiziell zumindest nicht mehr gezwungen. Inoffiziell gab es aber einen hohen Druck auf junge Frauen. Wer nicht bei Zeiten verheiratet war und Kinder bekommen hatte, wurde schräg von der Seite angeschaut.
Aber wie haben unsere Eltern sich damals kennengelernt? Die Möglichkeiten waren ja gegenüber heute doch sehr eingeschränkt. Viele Paare lernten sich in der Schule oder im Studium kennen. Ansonsten lernte man dann neue Leute auf der Arbeit, im Supermarkt oder am Wochenende in einer Disko kennen. Wenn man kein Auto hatte und somit auch nur wenig mobil war, war der Radius, dem man jemanden kennengelernt hat, eben sehr eingeschränkt.
Übertrieben dargestellt bestimmte das Angebot die Nachfrage. Man gab sich mit dem zufrieden, was da war, und machte das Beste daraus. Okay, das klingt böse. So schlimm war es meistens nicht wirklich. Aber frage doch mal Deine Großeltern und Eltern, wie sie zueinandergefunden haben und ob sie auch zusammengefunden hätten, wenn es damals schon die Möglichkeiten von heute gegeben hätte.
Die Menschen wurden im Laufe der Zeit auch immer mobiler. Man hatte dadurch die Möglichkeit, Leute in anderen Städten kennenzulernen und regelmäßig zu treffen. Durch das Telefon war es leicht, Kontakt zueinander zu halten. Und seit es das Internet gibt, muss man nicht mal mehr vor die Tür gehen, um Leute kennenzulernen.
Über das Internet hat man die Möglichkeit, tausende potenzielle Partner in Minuten kennenzulernen und Kontakt zu ihnen zu halten. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Das ist auf der einen Seite ein Riesenvorteil. Wenn in der unmittelbaren Nachbarschaft kein interessanter Traumpartner verfügbar ist, dann kann man eben auch im Internet suchen und gegebenenfalls den Wohnort wechseln.
Auf der anderen Seite wurden die Auswahlmöglichkeiten damit aber auch grenzenlos. Und das überfordert uns. Worauf legt man nun den Fokus bei der Partnerwahl? Und selbst wenn man ein genaues Bild von seinem Traumpartner hat, so gibt es immer noch tausende mögliche Menschen, die für eine Kontaktaufnahme in Frage kommen.
Da jeder Einzelne nun aber unendlich viele Kontaktmöglichkeiten hat, fällt es schwer, sich zu entscheiden. Und selbst wenn man sich für jemanden entschieden hat, ist es ein leichtes, sich wieder umzuentscheiden. Ganz nach dem Motto „drum prüfe, wer sich ewig bindet“ wird vielleicht in die Beziehung eingegangen, aber sobald es anstrengt oder unangenehm wird, trennt man sich wieder.
Warum sollte man auch Zeit, Kraft und Energie in eine Beziehung stecken, wenn der nächste Traumpartner, mit dem alles viel besser wird, nur einen Mausklick entfernt ist? Partnersuche ähnelt immer mehr der Bestellung in einem Versandhaus. Man sucht sich zwei, drei Sachen, in dem Falle Partner, aus und probiert erstmal, ob es passt. Bei Nichtgefallen schickt man die Bestellung wieder zurück und den Partner in die Wüste. Es folgt die nächste Bestellung, in der Hoffnung, diesmal eine bessere Wahl getroffen zu haben.
Die Haltbarkeit neuer Beziehungen ist stark begrenzt. Jeder Partner steht am Anfang einer Beziehung zu einigen weiteren Mitbewerbern in direkter Konkurrenz. Wenn man nicht aufpasst, wird man ganz schnell gegen jemand neuen ausgetauscht. Ob das jetzt gut oder sinnvoll ist, spielt keine Rolle. Und ob es wirklich die beste Lösung ist, den Partner auszutauschen, ist eine schwierige Frage. Welcher Lösungsweg der beste ist, das wird man nie herausfinden. In dem Moment, wo man sich für einen neuen Partner entschieden hat, kann man nicht mehr erfahren, ob es mit dem alten Partner vielleicht doch besser gewesen wäre, wenn man nach Lösungen gesucht hätte. Beziehungen sind eben keine Einbahnstraße ins Glück.
Und da es eben so schwierig ist, da es vielen von uns so schwerfällt, die richtige Entscheidung zu treffen, und da es obendrein so viele Möglichkeiten gibt, trifft man eben keine endgültige Entscheidung. In Beziehungen geht man nicht mit voller Energie, man hält sich lieber etwas zurück, um nicht allzu sehr verletzt oder enttäuscht zu werden. Oder man möchte selber erstmal schauen, wie das so wird, und investiert deswegen nicht gleich die volle Energie. Es gibt auch Fälle, bei denen gleichzeitig mit zwei, drei Kandidaten eine Art Beziehung eingegangen wird. Man probiert eben aus, bei wem es am besten funktioniert. Und so lange wie das noch nicht feststeht, verbringt man heute mit Kandidat eins und morgen mit Nummer zwei. Da Kandidat drei ohnehin weiter weg wohnt und nur am Wochenende Zeit hat, verbringt man es mit ihm.
Aber auch alte Beziehungen werden, für den Fall, dass die aktuelle doch nicht so gut läuft, warm gehalten. Hin und wieder schaut man vielleicht auch gerne mal, was man noch für Möglichkeiten hat und wie die eigenen Marktchancen stehen.
Was meine ich damit? Wenn Mädels beim Mädelsabend in eine Bar gehen, gehen sie nicht nur dorthin, um einen Prosecco zu trinken. Der Abend ist erst dann richtig erfolgreich, wenn man mindestens ein Getränk spendiert bekommen hat. oder mindestens von zwei Männern angesprochen wurde.
Männer flirten auch permanent. Ein süßes Lächeln einer hübschen Frau oder ein längeres Gespräch, und man weiß, dass man jederzeit gute Chancen hat, eine neue Partnerin zu finden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es unzählige Möglichkeiten gibt, jemanden kennenzulernen. Und wer sich zu schnell entscheidet, verpasst vielleicht die Chance auf seinen Hauptgewinn. Denn der könnte ja direkt der nächste Kandidat sein, den man kennenlernt. Die Vielzahl von Möglichkeiten führt dazu, dass wir ständig auf der Jagd sind, uns aber auch ständig fürchten. Wir müssen mit der Furcht leben, durch jemand Besseren, jemand anderen ersetzt zu werden.
Die Frage, die wir uns alle stellen sollten, lautet: Wie viele Möglichkeiten wollen wir nutzen? Sind die unzähligen Möglichkeiten wirklich notwendig? Und welche Entscheidungen wollen wir treffen?